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Kontaktlos Bezahlen in Deutschland: vom „Bargeldland“ zum kontaktlosen Vorreiter

Die Entwicklung von Online-Payments durch COVID-19 – Teil 1

Laut dem „Bloomberg Innovation Index 2020 gilt Deutschland als weltweit führend in Sachen Innovation. Man denke nur an Wissenschaft, Technologie, Konsumgüter und eine beeindruckende Liste hochwertiger Automarken. Das Land ist ein Synonym für hervorragende Produkte und Know-how. Doch überraschenderweise waren die Fortschritte beim Bezahlen nicht so fortschrittlich.

Bis vor kurzem lautete das Motto der deutschen Verbraucher und im Einzelhandel „Nur Bares ist Wahres“. Der deutsche Markt hat eine lange Geschichte der Bargelddominanz. Wenn es um Geld geht, gilt die deutsche Kultur als konservativ. Sie vertraut lieber Münzen und Scheinen, die man anfassen kann, anstatt sich auf eine digitale und moderne Form des Bezahlens einzulassen. 

Mit dem Ausbruch der COVID-19 Pandemie haben sich die Dinge jedoch dramatisch verändert und zum ersten Mal wurde aktiv von Barzahlungen abgeraten. Wie in allen Ländern der Welt wurden auch in Deutschland durch die Pandemie die Veränderungen im Zahlungsverhalten in einer Weise beschleunigt, die niemand vorhersehen konnte.

In einer dreiteiligen Reihe gehen wir auf die Entwicklungen im Bereich Online-Payments in den letzten zwei Jahren ein und analysieren anhand von aktuellen Zahlen und Fakten die Trends in der Finanzwelt. Im ersten Teil widmen wir uns u.a. dem kontaktlosen Bezahlen, das in der Pandemie einen erheblichen Aufschwung zu verzeichnen hatte. 

Kontaktloses Bezahlen ist das neue „Muss“ für die Akzeptanz von Zahlungen

Im Januar 2020 waren rund 40 % der Transaktionen in Deutschland kontaktlos. Zum Jahresende waren es bereits knapp über 60 %, wobei sich der Umsatz mit 97 Milliarden Euro gegenüber 41 Milliarden im Jahr 2019 mehr als verdoppelt hat.

Die Anhebung des Limits beim Zahlen ohne PIN von 25 Euro auf 50 Euro im Jahr 2020 war ein früher Wendepunkt. Die Akzeptanz änderte sich innerhalb weniger Wochen bei den meisten Zahlungsterminals auf dem deutschen Markt. Große Einzelhändler nutzten die Gelegenheit: Die Lebensmittelmärkte Rewe, Edeka, Aldi, Lidl, die Metro Group und Drogeriemärkte wie dm, Rossmann und Müller Drogerie haben schnell gehandelt. Sie haben ihre Kunden ermutigt, bargeldlos zu bezahlen und sich auf die kontaktlose Bezahlung zu konzentrieren. Mit Flyern, Aufklebern und Plakaten wurde für das Verfahren am POS geworben. Die Händler richteten sogenannte „Self-Checkout“-Terminals ein, an denen nur mit EC-Karte bezahlt werden kann.

Die Veränderungen wirkten sich auch auf kleine Geschäfte aus: Einzelhändler, die bisher überhaupt keine Kartenzahlung angeboten hatten, installierten schnell neue Systeme. Angeführt wurde dieser Trend von Bäckereien, in denen Kartenzahlungen bisher nur selten möglich waren. Nun werden diese aber fast überall akzeptiert.

Das Ergebnis dieser neuen Akzeptanz war, dass die Zahl der aktiven Zahlungsterminals auf dem deutschen Markt im ersten Halbjahr 2021 eine Anzahl von 922.000 erreichte. Das entspricht einem Anstieg von 6,8 % gegenüber dem Vorjahr.

Interessanterweise wurde bei den meisten EC-Karten beim Zahlen ohne PIN keine Beschränkung eingerichtet, um die PSD2-Limits voll auszunutzen. Im Gegensatz zu der in anderen Ländern, wie Großbritannien, weit verbreiteten Regel, wonach die Anzahl der Transaktionen ohne PIN-Eingabe auf fünf begrenzt ist. Auf diese Weise hat Deutschland die Nutzung vom kontaktlosen Zahlen für eine höhere Anzahl von kleinen Einkäufen ohne PIN-Eingabe maximiert.

girocard ist im Einzelhandel der Gewinner an der Kasse

Das kontaktlose Bezahlen hat dazu beigetragen, den Wunsch der Kunden und des Handels nach Distanz und Hygiene beim Einkauf zu erfüllen. Einer der großen Gewinner dieser Verhaltensänderung ist girocard. Mit einem Umsatzanteil von 6,5 % bzw. 24,8 Milliarden Euro dominiert die girocard den Zahlungsmix im stationären Handel, deutlich vor der Kreditkarte (+ 0,9 %).

Mit mehr als 100 Millionen Stück ist die girocard die am weitesten verbreitete Debitkarte in Deutschland. Mit fast 5,5 Milliarden Transaktionen im Jahr 2020 hat sie einen neuen Höchststand beim Bezahlen an der Kasse erreicht. Das sind eine Milliarde Transaktionen mehr als im Vorjahr.

Die jüngsten Zahlen der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) zeigen, dass die kontaktlose Nutzung weiter zunimmt. Im ersten Halbjahr 2021 stiegen die girocard-Transaktionen im Vergleich zum Vorjahr um 4,7 Prozent auf 2,71 Milliarden, was einem Umsatz von 114 Milliarden entspricht. Der Anstieg der Zahlungen mit der kontaktlosen girocard führte dazu, dass 64 % aller Transaktionen mit dieser Zahlungsmethode getätigt wurden. Im ersten Halbjahr 2020 waren es noch 46 %.

Umstellung auf mobile Payment ist ein wichtiger Trend

Zu den kontaktlosen Bezahlverfahren gehört auch das Bezahlen mit der digitalen girocard auf dem Smartphone (giropay). Dies ist ein weiterer wichtiger Treiber der Zahlungstrends in Deutschland, wobei der Anteil des mobile Payments an allen kontaktlosen Transaktionen auf 10 % steigt. Der Einsatz von Smartphones, die zusätzliche Sicherheitselemente (2-Faktor-Authentifizierung) bieten, setzt sich immer mehr durch. Es ist zu erwarten, dass sie an den Kassen des Einzelhandels immer häufiger eingesetzt werden.

Das Wachstum der Zahlungen mit dem Smartphone wurde unter anderem durch die Sparkassen beschleunigt. Sie begannen mit einem Anteil von 50 %, die girocard mit Apple Pay anzubieten. Dies wurde als großer Durchbruch bei der Zahlungsakzeptanz angesehen und girocard- und Kreditkarten-Wallets sind bei den großen Banken inzwischen üblich. Die meisten Sparkassen, Volksbanken Raiffeisenbanken und einige Privatbanken bieten inzwischen das mobile Bezahlen mit Google Pay bei Android sowie mit Apple Pay für iPhone-Nutzer an.

Kontaktloses Bezahlen wird für alle Altersgruppen relevant

Untersuchungen der Initiative Deutsche Zahlungssysteme (IDZ) haben ergeben, dass der typische „Smartphone-Zahler“ in Deutschland eher männlich, zwischen 16 und 29 Jahre alt ist und bevorzugt Beträge unter 25 Euro bezahlt. Fast alle (93 %), die mobil bezahlen, finden die Methode einfach zu bedienen und interessanterweise hätten 71 % keine Probleme mit der Umstellung, wenn das Bargeld abgeschafft würde. Damit unterscheiden sie sich von den 37 % der Kartennutzer und nur 4 % der Bargeldnutzer, die sich mit diesem Szenario wohlfühlen würden.

Diese Ergebnisse bestätigen frühere Untersuchungen des IDZ, wonach die Nutzung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs umso höher ist, je jünger die Verbraucher sind. Doch auch die älteren Generationen schließen sich diesem Trend an und nutzen zunehmend kontaktlose Technologien.

Fast jeder Zweite in Deutschland will auch nach der Pandemie mit Bankkarte oder Smartphone bezahlen. 44 Prozent der Bevölkerung bestätigen, dass sie auch nach der Krise digital bezahlen werden.

Fazit

Abschließend lässt sich sagen, die Menschen in Deutschland haben noch nie so wenig mit Bargeld bezahlt wie jetzt und dieser Trend wird sich wohl fortsetzen. Dazu hat die COVID-19-Pandemie und deren umfassende Hygienemaßnahmen einen großen Teil beigetragen. Auch das Mobile Payment wird immer beliebter. Auf dieses Thema gehen wir im zweiten Teil der Reihe ein und betrachten auch Zahlungsanbieter wie Apple oder Google Pay.