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Gesundheitswesen: Digitalisierung trotz COVID-19 noch ausbaufähig

Ab dem nächsten Jahr wird flächendeckend in Deutschland das E-Rezept direkt auf das Smartphone eingeführt. Das ist ein großer Schritt im Hinblick auf die Digitalisierung des Gesundheitssystems hierzulande. Digitale Technologien können nicht nur Patienten eine bessere Behandlung ermöglichen, sondern auch das medizinische Personal entlasten. Das ist dringend nötig, wie die COVID-19-Pandemie zeigt. Videosprechstunden werden seit 2020 vermehrt von manchen Einrichtungen als Alternative zum Praxisbesuch angeboten. 

Das Virus diente als Beschleuniger der Digitalisierung. Trotzdem stehen digitale Technologien in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern noch am Anfang. Die Grundlagen sind da, aber beim Austausch zwischen Ärzten und Gesundheitseinrichtungen besteht Nachholbedarf. Zu dieser Erkenntnis kamen die Autoren des ersten E-Health Monitors, ein Report der Unternehmensberatung McKinsey von November 2020. 

Für die Studie wurden ca. 580 Personen aus der Branche befragt, eigene Analysen gestartet sowie Umfragedaten aus anderen Quellen bezogen, wie zum Beispiel dem Praxisbarometer Digitalisierung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Analysen des Digitalverbands Bitkom und HIMSS. Eine US-amerikanische Non-Profit-Organisation, welche es sich zur Aufgabe gemacht hat, Gesundheitssysteme durch den Einsatz von IT und Management-Systemen effizienter zu gestalten.

Heraus kam eine Analyse zum aktuellen Stand der Digitalisierung des Deutschen Gesundheitswesen mit folgenden Schwerpunkten: digitale Angebote und Nachfrage bei Gesundheitseinrichtungen, Nutzung digitaler Gesundheitsangebote sowie der technischen Infrastruktur. Im Jahr 2019 nutzten noch 93 % niedergelassener Ärzte die Papierform zur Kommunikation mit den Krankenhäusern. Knapp die Hälfte der Krankenhäuser und Praxen bevorzugten den digitalen Austausch von Daten. 59 % der ambulanten Ärzte und Physiotherapeuten boten keine digitalen Gesundheitsservices wie eine Online-Terminbuchung an.

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Digitale Anwendungen haben Potenzial

Die Münchner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte GmbH befasste sich in ihrer Studie „Closing the digital gap – Shaping the future of European healthcare“ aus September 2020 zum einen mit der Auswirkung des Coronavirus auf die Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems. Dazu fand eine Befragung von medizinischem Personal aus 7 Ländern in Europa statt. In Deutschland holte sich das Unternehmen Einschätzungen von 400 Allgemeinärzten, Fachärzten und Chirurgen sowie Krankenpflegern mit unterschiedlicher Berufserfahrung. Die Befragten sind überwiegend in privaten und öffentlichen Krankenhäusern, Kliniken oder Praxen beschäftigt. 

Die Studie ergibt, Deutschland bietet großes Potenzial für verschiedene digitale Anwendungen im Gesundheitswesen. Diese kommen aber zu wenig zum Einsatz. Die deutschen Teilnehmer der Studie haben Vertrauen in die Technologien, das Potenzial sei aber nicht voll ausgeschöpft und die Patientenversorgung kann weiter verbessert werden. Knapp die Hälfte der befragten Ärzte wünschen sich eine Erstellung und Pflege eines elektronischen Medikationsplans. Digitale Angebote für Verordnungen (z. B. E-Rezept), Überweisungen oder Bescheinigungen (z. B. elektronische AU-Bescheinigung) landen mit 45 % auf Platz zwei. In Krankenhäusern sind digitale Patientenangebote rar. Telemedizinanwendungen werden kaum genutzt. Nur 12 % der Krankenhäuser verwenden eine vollständige elektronische Medikationsunterstützung, bei den meisten kommt diese gar nicht zum Einsatz. 

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Vorhandene digitale Angebote auf dem Markt sind hauptsächlich für die Bewältigung von administrativen Aufgaben nützlich. Die digitale Krankenakte nutzen drei Viertel der Befragten. 78 % sehen Vorteile für effizientes Arbeiten und eine gute Versorgung der Patienten. An zweiter Stelle stehen die digitalen Dienstpläne und nachfolgend spezifische Anwendungen für Klinikpersonal. Das Potenzial der Telemedizin sei jedoch nicht ausgeschöpft. Nur 30 % geben an, den digitalen Service zu nutzen. Vorteile für die Patientenversorgung sehen hier jedoch mehr als doppelt so viele Befragte. Eine Diskrepanz ist zudem bei Online-Terminbuchungsmöglichkeiten zu erkennen. 38 % der Einrichtungen nutzen aktuell ein solches System, obwohl 63 % des medizinischen Personals hier große Vorteile für den Patienten sehen.

Krankenkassen gehen mit gutem Beispiel voran

Es zeigen sich große Hürden beim Einsatz der digitalen Technologien. Als Gründe werden die Bürokratie, hohe Kosten und Schwierigkeit, eine passende Technologie zu finden, genannt. Knapp die Hälfte des medizinischen Personals wünscht sich Unterstützung oder hat einen höheren Informationsbedarf im Bereich Digitalisierung. Zu einer vollkommen digitalisierten medizinischen Organisation sei es noch ein langer Weg.

Mit gutem Beispiel gehen die gesetzlichen Krankenkassen voran. Per App oder E-Mail ist es hier möglich, Rezepte und Rechnungen digital zu erfassen und eine Erstattung zu veranlassen. Die breite Palette digitaler Services verringert einen Berg an Papier und sie sind zeit- und kostensparend. Die steigenden Downloadzahlen der Apps zeigen ein wachsendes Interesse an digitalen Gesundheitsanwendungen bei Patienten. Nutzten im ersten Quartal von 2019 noch eine Million Bürger die Services, so verdoppelte sich die Zahl im darauffolgenden Jahr. 

Trotzdem sind die Zahlen weiterhin nicht zufriedenstellend. Das mag daran liegen, dass der Nutzeffekt von E-Health Anwendungen noch zu wenig erforscht ist. Zwar wird gesagt, dass digitale Gesundheitsanwendungen positive Effekte hervorrufen und den Gesundheitszustand des Patienten verbessern, Belege sind dennoch nötig, damit die Akzeptanz in der Bevölkerung steigt. Der Nutzen muss messbar sein, einen Mehrwert bieten und zusätzlich keinen Mehraufwand für den Patienten bedeuten. 

Das Fortschreiten der Digitalisierung hakt an der ein oder anderen Stelle. Viele Bereiche sind längst nicht so weit, wie sie hätten sein können. Durch die vielversprechenden Entwicklungen der Gesetzeslage bleibt aber Hoffnung. Ein 4 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm von Bund und Ländern im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes dürfte die Entwicklung weiter vorantreiben.