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„App auf Rezept“: Digitale Gesundheits­anwendungen (DiGA) als Zukunftsmodell

Im Dezember 2019 wurde mit dem Gesetz zur digitalen Gesundheitsversorgung (Digitale-Versorgung-Gesetz, DVG) die App auf Rezept für Patienten eingeführt. Dieses Gesetz stellt sicher, dass die rund 73 Millionen Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einen Anspruch auf die Nutzung einer von einem Arzt oder Psychotherapeuten verordneten digitalen Gesundheits-App (DiGA) haben.

Nach einer Antragsprüfung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) werden die DiGAs in ein Verzeichnis erstattungsfähiger digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA-Verzeichnis) aufgenommen. Das Verfahren wird durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in einer ergänzenden Rechtsverordnung, der DiGAV, geregelt. 

Eine DiGA ist ein CE-gekennzeichnetes Medizinprodukt der Risikoklasse I oder IIa. Es ist eine mobile oder Web-Anwendung, die auf digitalen Therapien basieren und die Diagnose, Überwachung und Behandlung von Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen unterstützen, aber nicht als primäres Mittel zur Prävention dienen. Ziel ist es, einen Weg zu einem selbstbestimmten, gesundheitsfördernden Lebensstil aufzuzeigen.

Deutschland ist das erste Land der Welt, das digitale Apps verschreibt und über das gesetzliche Gesundheitssystem erstattet.

Um Innovationen voranzutreiben und den Regulierungsprozess rund um diese digitalen Gesundheitsanwendungen zu beschleunigen, hat Deutschland einen „Fast Track“ für die Zulassung, Prüfung, Erprobung und Bewertung dieser Apps eingeführt – der allen Unternehmen in der Europäischen Union offensteht.

Im September 2020 wurden die ersten verschreibungspflichtigen digitalen Gesundheitsanwendungen zur Erstattung in Deutschland zugelassen. Seitdem wurden die DiGAs für den Einsatz bei einer Vielzahl von Erkrankungen erstattet, darunter Tinnitus, Schlaflosigkeit, Angstzustände, Schmerzen, Fettleibigkeit, Migräne und Multiple Sklerose.

„App auf Rezept“: Digitale Gesundheits­anwendungen (DiGA) als Zukunftsmodell

Bereits zugelassene DiGAs

Das DiGA-Verzeichnis gibt nicht nur Auskunft über die Zulassung, sondern auch über den Leistungsnachweis und die Diagnosen, für die die entsprechende DiGA verordnet werden kann – bedeutsame Informationen für DiGA-Nutzer, Ärzte und Psychotherapeuten.

Aktuell gibt es laut der Webseite 15 zugelassene Digital-Health-Anwendungen, über 60 Anträge an das BfArM müssen noch bearbeitet werden. Hier ist ein Auszug der zugelassenen Apps:

  • deprexis von der GAIA AG behandelt Depressionen
  • elevida richtet sich an Multiple-Sklerose-Patienten, die unter chronischer Müdigkeit leiden
  • Invirto und velibra sind zwei DiGAs, die für Patienten mit Panikstörungen, sozialen Phobien und Angststörungen entwickelt wurden
  • Kalmeda der mynoise GmbH ist die erste zugelassene App zur verhaltenstherapeutischen Tinnitusbehandlung
  • Selfapy zielt auf Depressionen ab
  • Mit M-Sense gibt es eine etablierte Kopfschmerz- und Migräne-App, die Patienten ein chronisches Schmerztagebuch mit Analysetools und Präventionsempfehlungen bietet
  • Rehappy ist ein Tool, das für die Nachsorge von Schlaganfallpatienten entwickelt wurde
  • somnio ist die DiGA, die bei nicht organisch ausgelösten Schlafstörungen eingesetzt werden kann und hilft, Schlafrhythmen und -hindernisse zu optimieren.
  • Die Bewegungstherapie-App Vivira von Vivira Health Lab behandelt Rücken-, Knie- und Hüftschmerzen, die z. B. durch Arthrose verursacht werden, aber auch unspezifische Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, Hüfte, Knie und des Rückens
  • Die Anwendung zanadio der aidhere GmbH wird bei Problemen im Zusammenhang mit Übergewicht eingesetzt
  • Die App Mika der Fosanis GmbH bietet Informationen, Unterstützung und personalisierte Therapie-Begleitung bei allen Krebserkrankungen
  • Mindable hilft gegen Panikstörungen und Agoraphobie

Eine Voraussetzung für die Zulassung als Digital-Health-Anwendung ist, dass der medizinische Zweck als Hauptfunktion auf digitalen Technologien basiert.

app medizinische anwendung

Wann ist eine App eine medizinische Anwendung?

Die App-Stores auf unseren Smartphones und Tablets bieten eine Fülle von Anwendungen aus den Bereichen Sport, Wellness und Gesundheit. Hier ist die Abgrenzung zu einem Medizinprodukt natürlich nicht so einfach. Entscheidend für die Einordnung ist der Zweck der App, der auch über die Gebrauchsanweisung und Werbematerialien (z. B. Website, App-Store-Informationen) vermittelt wird. Indikatoren, die auf ein Medizinprodukt hindeuten, sind z. B. die Entscheidungsunterstützung bei therapeutischen Maßnahmen, die Berechnung von Medikamentendosierungen oder die Überwachung eines Patienten und die Datensammlung im Zusammenhang mit Therapieanweisungen.

Abgrenzung zur Hardware

Digitale Gesundheitsanwendungen sind auch in Kombination mit Hardware möglich. Allerdings ist hier zu beachten, dass die Hauptfunktion auf der digitalen Technik basiert. Und die App wird nicht nur als Anknüpfungspunkt für die Funktionen der Hardware genutzt.

Abgrenzung zu Diensten

Bei Dienstleistungen im Zusammenhang mit DiGA müssen diese differenziert betrachtet werden. Bei der Kombination von Dienstleistungen wie Beratung, Coaching oder privatärztlichen Leistungen in Verbindung mit DiGA verhält es sich ähnlich wie bei zusätzlicher Hardware. Der Fokus muss auf der digitalen Technik liegen. Vertragsärztliche Leistungen, z. B. durch den behandelnden Arzt, werden weiterhin von den gesetzlichen Krankenkassen als Teil der ärztlichen Vergütung vergütet. Diese müssen aber ggf. beim Nachweis des positiven Versorgungseffekts berücksichtigt werden, da der Versorgungseffekt eindeutig auf die DiGA zurückzuführen sein muss. In der Regel sind nur niedergelassene Ärzte oder Psychotherapeuten für vertragsärztliche Leistungen beihilfefähig.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass zusätzliche Funktionen und Dienste keinen Einfluss auf den medizinischen Zweck der DiGA haben dürfen und deren positive Auswirkungen die Versorgung nicht beeinträchtigen oder verändern dürfen. Wichtig ist eine klare Abgrenzung, die den Richtlinien des BfArM entsprechen sollte.

trend DiGA

Steigende Nutzung von DiGAs seit Bekanntgabe der Erstattungsmöglichkeit

Die Analyse von GlobalData zeigt, dass die Nutzung von DiGAs seit ihrer Zulassung zur Erstattung gestiegen ist. Die Mehrheit der DiGAs, die als mobile Apps verfügbar sind, verzeichnete laut Airnow Data einen Anstieg der Downloads ab September 2020.

Die App Kalmeda der mynoise GmbH zur Behandlung von Tinnitus steht beispielsweise seit 2018 zum Download bereit und wurde Ende September 2020 zur Erstattung zugelassen. In Q1-Q3 2020 erreichte die App etwas mehr als 2.500 Downloads, während sie in Q4 2020 2.900 Downloads hatte. Die Invirto-App für Angstzustände der Sympatient GmbH ist seit 2019 auf dem Markt und wurde Anfang Dezember 2020 für die Erstattung zugelassen. Sie hatte von Januar bis November 2020 durchschnittlich im Monat knapp über 200 Downloads, die im Dezember auf fast 415 Downloads anstiegen, was einer Steigerung von fast 105 % entspricht. Während die Vivira-App für eine Schmerztherapie von Vivira Health Lab nach der Zulassung zur Erstattung Ende Oktober 2020 keinen großen Anstieg der Nutzung verzeichnete, folgte im April 2020 ein Spitzenwert. Dies könnte mit dem Beginn des COVID-19-Lockdowns und dem fehlenden persönlichen Kontakt zu Schmerzphysiotherapeuten zu diesem Zeitpunkt zusammenfallen.

Die digitale Therapielandschaft hat sich seit 2018 deutlich vergrößert und es wird ein schnelles Wachstum in den nächsten zehn Jahren erwartet.

Die anhaltende COVID-19-Pandemie führte auch zu einer Revolution in der digitalen Gesundheitsadoption und Innovation.

Dies wurde vor allem durch die beispiellose Nachfrage vorangetrieben, die seit Anfang 2020 zu beobachten ist, insbesondere in Bereichen, die Alternativen zur persönlichen Betreuung bieten, wie virtuelle Betreuung und digitale Therapien. Ein Bereich, der sich als besonders geeignet für digitale Gesundheitstools erwiesen hat, ist die psychische und verhaltensbezogene Gesundheit, wie z. B. Angstzustände, Depressionen und Substanzmissbrauch.

Die Richtlinien und Vorschriften, die den Zugang zu und die Erstattung von digitalen Gesundheitsanwendungen ermöglichen, werden, insbesondere in einigen europäischen Ländern, schon seit einiger Zeit umgesetzt. Dies ist ein wichtiger Meilenstein für den Markt der digitalen Therapien, da die Akzeptanz durch die Kostenträger neben den regulatorischen Hürden als Haupthindernis für den breiten Einsatz dieser Produkte angesehen wurde. Es wird erwartet, dass diese beiden Hindernisse leichter zu überwinden sind, wenn mehr Rahmenbedingungen und Richtlinien zur Unterstützung der Entwickler entwickelt werden.

Ärzte benötigen stabile klinische und kosteneffektive Daten sowie starke finanzielle Anreize, um ihren Patienten diese Hilfsmittel zu verschreiben. Die weit verbreitete Nutzung von Smartphones und Gesundheits-Apps wird dazu beitragen, die Nutzung dieser Anwendungen bei den Patienten voranzutreiben, aber Fragen wie Benutzerfreundlichkeit, Datenschutz und Cybersicherheitsbedenken müssen geklärt werden.

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